Praxis
Abwehrmechanismen
Das Unbewusste
Die Tiefenpsychologie geht wie die Psychoanalyse davon aus, dass das Verhalten und das Erleben des Menschen zu einem großen Teil von unbewussten seelischen Vorgängen gesteuert wird, unter anderem mit Hilfe unserer Abwehrmechanismen. Erstmalig wurde das Phänomen des Unbewussten von Sigmund Freud systematisch untersucht. Die Psychoanalyse begründete er unter anderem auf dieser Annahme. Die moderne neurobiologische Forschung bestätigt inzwischen Freunds Annahme eines Unbewussten, ja geht in ihrer Einschätzung der Bedeutung unbewusster Vorgänge für unser Leben teilweise noch weit über die Annahmen Freunds hinaus z. B. in den Beträgen moderner Hirnforscher wie Gerhard Roth oder Gerald Hüther.
Funktion
Abwehrmechanismen sind ein wesentlicher Bestandteil der Annahmen der Tiefenpsychologie. Sie helfen dem Menschen ein Weltbild aufrecht zu erhalten, das ihn beruhigt und ihm die Angst vor dem Dasein nimmt, sein Bild von sich und der Welt stabil – und im guten Fall – positiv hält. Im Grunde ist der Mensch nämlich von all den vielen Einflüssen der Außenwelt sowie seinem eigenen Empfinden stark gefordert oder gar überfordert. Mithilfe der Abwehrmechanismen kann der Mensch unerfreuliche Tatsachen und Gefühle ausblenden, abwehren. Sie dienen also auch dazu, inneren Konflikten aus dem Weg zu gehen.
So hilft die Abwehr, Gefühle wie Angst, Scham, Schuldgefühle oder Wut zu unterdrücken. Allerdings kann der innere Konflikt dadurch nicht vermieden werden. Tatsächlich wird er durch die Unterdrückung der Gefühle häufig verstärkt. Es gibt viele verschiedene Abwehrmechanismen, die zum Teil ineinander übergehen. Jeder Mensch bedient sich in der Regel bestimmter Abwehrmechanismen, auf die er immer wieder zurückgreift. Je nach Situation können aber auch andere Abwehrmechanismen zum Einsatz kommen.
Unterschiede
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen reifen und unreifen Abwehrmechanismen. Diese Unterscheidung ist jedoch nicht immer treffend, da die Bewertung eines Abwehrmechanismus auch von der Situation abhängen kann. Je belastender eine Situation ist, desto normaler ist es, auch „unreif“ darauf zu reagieren. Die Anwendung von Abwehrmechanismen ist eine natürliche Verhaltensweise eines jeden Menschen. Erst wenn jemand nur sehr wenige Mechanismen benutzt oder vor allem solche, die als unreif gelten, ist dies möglicherweise auf eine Einschränkung im Bereich unseres Grundgerüsts von psychischen Fähigkeiten oder auf psychische Erkrankung zurückzuführen. Ein immer wieder auftretendes gleiches Muster von unreifen Abwehrmechanismen kann auf eine Persönlichkeitsstörung deuten.
Hier sind einige Abwehrmechanismen exemplarisch skizziert.
Reife Abwehrmechanismen
Zu den reifen Abwehrmechanismen zählen unter anderem die Verdrängung und die Sublimation. Die Sublimation wird gemeinhin als der reifste Mechanismus angesehen. Dieser Abwehrmechanismus hilft, Gefühle die nach Enttäuschungen oder erlebten Niederlagen eintreten, nicht zu ignorieren oder zu unterdrücken, sondern sie zu nutzen, um sich weiter zu entwickeln. Zumeist geht es bei der Sublimation darum sexuelle oder aggressive Gefühle, deren Ausleben einem selbst schaden könnte, unter Kontrolle zu halten. In der Sublimation transformiert man unangenehme Gefühlszustände in eine andere Ebene z. B. durch künstlerisches Gestalten.
Unreife Abwehrmechanismen
Zu den unreifen Abwehrmechanismen gehören unter anderem die Wendung gegen sich Selbst, Idealisierung und Entwertung oder die Spaltung. Die Wendung gegen sich selbst zeigt sich, indem ein Mensch seine Gefühle gegenüber anderen auf sich selbst lenkt und sich ggf. selbst ablehnt oder gar über Handlungen schadet. Die Idealisierung, die nur im Falle eines zu häufigen Einsatzes als unreif eingeordnet werden kann, bewertet man z. B. Einen anderen Menschen zu uneingeschränkt positiv, blendet alles Negative aus. Im Falle der Entwertung ist das Gegenteil der Fall, man bewertet zu negativ, wertet z.B. Leistungen eines anderen drastisch ab.
Bei der Spaltung wird die Welt in Gut und Böse unterteilt und Menschen und Situationen verzerrt entweder zu positiv oder zu negativ erlebt. Insofern werden die Gefühle und das Handeln einer Person zum Großteil von einem schwarz-weiß Denken bestimmt. Dies kann zu einem gestörten Sozialverhalten führen, zum Beispiel der Unfähigkeit Kompromisse zu schließen oder Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.