Praxis
Therapieziele
Psychotherapie heißt Veränderung. Damit ist eine Veränderung des eigenen Verhaltens und/oder der eigenen Person gemeint. Diese Veränderung kann sich auf unsere Gedanken, unsere Gefühle und/oder unser Verhalten beziehen. Meist bezieht sie sich auf alle drei Bereiche. Therapieziele beschreiben das, was man gerne verändern möchte.
Daher ist es zu Beginn einer Psychotherapie sinnvoll, sich zu fragen, was man gerne verändern möchte. Das heißt, es geht auch um die Frage, wodurch nach eigenem Dafürhalten die Symptome, unter denen man leidet, ausgelöst worden sind und wie man glaubt, wieder für mehr innere Ausgeglichenheit sorgen zu können. Man kann dazu überlegen, was einem an der eigenen Person nicht gefällt bzw. stört und womit man sich selbst oder anderen Schwierigkeiten bereitet. Auch kann es das sein, was andere wiederholt kritisiert haben oder womit man glaubt, sich selbst im Weg zu stehen.
Falls man unter Verhaltensweisen leidet, die zwanghaften Charakter haben wie z. B. bei Zwängen, Essproblemen oder suchtartigem Verhalten, dann ist es sinnvoll, sich über die Funktion des betreffenden Verhaltens für das eigene Gleichgewicht Gedanken zu machen. So kann man sich fragen, welche Gefühle man mit seinen Essanfällen versucht hat zu neutralisieren, und entsprechende Ziele zu entwickeln wie man mit derartigen Zuständen in Zukunft umgehen möchte. Oft ist es hilfreich herauszufinden, welche äußeren Veränderungen austretenden Symptomen vorausgingen und welche Gefühle damit verbunden waren.
Weniger erfolgversprechend ist es in der Regel, sich die unangenehmen Symptome, unter denen man leidet, direkt zu verbieten. Denn meist hat man ja schon selbst mehr oder weniger erfolglos versucht, den auftretenden Beschwerden direkt gegenzusteuern.
Kennzeichen sinnvoller Therapieziele
Gute Therapieziele sollten zudem mehreren Kriterien genügen. Sie sollten
- konkret sein
- überprüfbar sein
- erreichbar sein
- in Bezug auf eine Minderung der Beschwerden sinnvoll sein
- im Einflussbereich der eigenen Person liegen
- ggf. Zwischenschritte umfassen
- positiv formuliert sein
In diesem Sinne sind gute Therapieziele z. B. „Selbstbewusster werden“ oder „meine Aufgaben mit mehr Zeit und Ruhe erledigen“. Weniger geeignet sind Ziele wie „glücklicher werden“ (wenig konkret), „mich nicht mehr so hetzen“ (negativ formuliert) oder „nur noch allerbeste Leistungen erbringen“ (Dieses Ziel ist möglicherweise nicht erreichbar und führt dazu, dass man sich sehr unter Druck setzt. Daher ist es eventuell auch nicht sinnvoll.) Wichtig ist, dass Ziele klar sind und die Formulierungen kein vielleicht, möglicherweise, eigentlich, eher, etwas oder ähnliche verwässerne Ausdrücke enthalten.
Neben der Veränderung der eigenen Person, können im Rahmen einer Psychotherapie auch Entscheidungen im Hinblick auf Äußeres getroffen werden. Diese äußeren Ziele sind möglicherweise gut und richtig, therapeutische Veränderungsziele beziehen sich jedoch auf die eigene Person, können dann auch dazu dienen, sich an neue äußere Gegebenheiten erfolgreich anzupassen.
Therapieziele können sehr, sehr unterschiedlich sein abhängig von dem Hintergründen des eigenen Leidens. Daher habe ich Beispielziele in Abhängigkeit von bestimmten Diagnosen aufgeführt. In der Regel ist es sinnvoll, sich nicht mehr als 2 bis 4 Ziele zu setzen. Wie unten deutlich wird, können sich die Ziele auf Symptome richten, die im Einfluss willkürlichen Verhaltens liegen, oder sich auch auf mehr oder weniger tief liegende psychische Funktionen beziehen.
Beispielziele bei Depressionen
- selbstbewusster werden
- mich mehr durchsetzen
- mir erlauben, es anderen nicht immer recht zu machen
- „nein“ sagen
- zu mir selbst stehen, ich selbst sein
- mich wertschätzen, mich annehmen
- mich wehren, wenn ich schlecht behandelt werde
- mehr an mich denken
- besser für mich sorgen
- mich motivieren wieder aktiver zu sein
- handeln statt zurückziehen
- Perfektionismus abbauen
- Lob annehmen lernen
- dankbar sein für positive Dinge
- Schuldgefühle abbauen
- lernen meinen Ärger wahrzunehmen
Beispielziele bei Angststörungen
- mich meinen Ängsten stellen und sie aushalten
- meine Gefühle besser wahrnehmen
- eigenständiger werden
- bei beginnenden Panikattacken ruhig atmen und mir den Kreislauf der Angst ins Gedächtnis rufen
- häufiger unter Menschen gehen/telefonieren (bei sozialen Ängsten)
- auch wieder etwas alleine unternehmen
Beispielziele bei Burnout
- mir mehr Ruhe und Zeit geben
- Pausen machen
- lernen auch mal etwas liegen zu lassen
- die Gesamtwochenarbeitszeit reduzieren
- Gefühle von Versagen und Wertlosigkeit verstehen und richtig einordnen lernen
- üben Erholungsphasen einzuplanen und auszuhalten
- die eigenen Bedürfnisse und die meines Körpers kennen und berücksichtigen lernen
- mir erlauben Fehler zu machen
- Ansprüche an die eigene Person/die eigenen Leistungen reduzieren
- Privat- und Berufsleben trennen
- regelmäßig Sport machen
- jeden Tag etwas tun, was mir gut tut
Beispielziele bei Persönlichkeitsstörungen
- meine Gefühle wahrnehmen
- über Gefühle sprechen lernen
- wenn meine Gefühle hochkochen, mich bremsen und genau überlegen, wie ich handeln möchte
- auch mögliche positive Absichten bei meinen Mitmenschen bedenken
- üben Unangenehmes auszuhalten
- versuchen, mich in den anderen hineinzuversetzen bevor ich urteile
- Dinge, die ich nicht ändern kann, lernen hinzunehmen
- Kritik aushalten lernen
Beispielziele bei Essstörungen
- aufhören Kalorien zu zählen
- 5 kg über 5 Monate zunehmen
- lernen „verbotene Nahrungsmittel“ wieder ohne Reue zu essen
- mich einmal in der Woche wiegen
- ohne Abführmittel u. ä. auskommen
- mich akzeptieren wie ich bin
Das Konzept der Therapieziele wird typischerweise im Rahmen verhaltenstherapeutischer Maßnahmen eingesetzt, ist jedoch ein universelles Konzept, das therapeutischen Fortschritt unterstützen kann, da der Fokus von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auf dem innerpsychischen Bereich liegt, der mit dem jeweiligen Ziel verbunden ist.